Für Menschen, die noch selbst lesen können, ist das Erlernen von Braille-Schrift (Punktschrift, Blindenschrift) gar nicht so schwierig. Man lernt zunächst die einzelnen Buchstaben, indem man sich die räumliche Anordnung der Punkte optisch einprägt. Anschließend kann man damit beginnen, Buchstaben und Wörter zu ertasten (taktiles Lesen).
Dabei entwickeln Sie in erhöhtem Maße Feinmotorik und Tastfähigkeiten, die Ihnen auch in anderen Bereichen des Alltags sehr zugute kommen. Zudem erhalten Sie Ihr Gefühl für die Rechtschreibung, das schnell verloren geht, wenn man ausschließlich mit der Vorlesefunktion arbeitet.
Grundlagen
Um ein Braille-Zeichen auf Papier darzustellen, werden Erhöhungen in Form eines Rasters von hinten in das Papier hineingepresst. Dieses Raster besteht aus sechs möglichen Erhebungen – drei in der Höhe und zwei in der Breite. Auf diese Weise sind 64 verschiedene Kombinationen möglich.
Daneben gibt es noch die 8-Punkt-Braille auch als Euro-Braille oder Computer-Braille Schrift bezeichnet. Sie wird für Braille-Zeilen verwendet. Eine Braille-Zeile wird ähnlich einer Tastatur an den Computer angeschlossen, auf ihr können die einzelnen Punkte durch kleine Metallstifte ertastet werden.
Vollschrift und Kurzschrift
In der Braille-Vollschrift steht fast für jeden Buchstaben ein einzelnes Punktschrift-Zeichen. So z.B. für den Buchstaben a der Punkt auf Position 1. Die Kurzschrift ist ein wenig vergleichbar mit Stenografie: verschiedene Buchstabenfolgen werden zu einem einzigen Zeichen zusammengefasst. Als Beispiel: die Punkte 1, 4, 2, 6
werden für die Silbe „ein“ verwendet, anstatt e, i, und n einzeln. Aber auch in der Vollschrift werden schon einige häufig gebrauchte Lautgruppen – wie z.B. „sch“ durch die Punkte 1, 5, 6 – zu einem Zeichen zusammengefasst.
Erste Schritte
Wer im Selbststudium die Brailleschrift erlernen möchte findet im Internet einige empfehlenswerte Webseiten. Wir haben beispielhaft drei davon ausgesucht.
fakoo.de
Ein sehr guter Start ist die Seite fakoo.de:
Die Seite führt Sie systematisch über das interaktive Lernen der einzelnen Buchstaben und Kombinationen zu kurzen Leseübungen und zeigt auch das Lesen auf einer Braille-Zeile.
Unser Bildschirmfoto zeigt den Bereich zum Üben der Buchstaben: oben wird das Braille-Zeichen dargestellt, zu dem dann die entsprechende Taste auf der Bildschirmtastatur gedrückt werden soll. Man beginnt mit den ersten 10 Buchstaben und kann dann die nächsten in Angriff nehmen.
Die Webseite lässt sich mit der Tastenkombination Strg + Plus-Taste gut vergrößern. Zusätzlich werden die Buchstaben auf der Bildschirmtastatur beim Überfahren mit der Maus vom Screenreader gelesen.
Wikipedia
Sehr empfehlenswert ist auch der Beitrag bei Wikipedia:
Wikipedia Beitrag zur Brailleschrift
Hier finden Sie grafische Darstellungen der einzelnen Braille-Zeichen, bei denen auch die Sprachausgabe des Computers beim Überfahren der Grafik mit der Maus vorliest, welche Punkte ausgefüllt sind. Unter dem Punktschriftzeichen befindet sich jeweils der zugehörige Schwarzschrift- Buchstabe (oder die Buchstabenkombination), der ebenfalls vorgelesen wird.
siljakorn.de
Eine kurze Einführung in die Geschichte der Braille-Schrift sowie eine Erläuterung der Systematik finden Sie auf der Seite siljakorn.de:
Die Webseite lässt sich farblich anpassen und auch vergrößern, der Screenreader liest die Schwarzschrift.
Lehrbücher
Soweit die Augen das noch zulassen, ist das Lernen aus einem Lehrbuch für viele Menschen noch die beste Methode, um sich Dinge einzuprägen. Beispielhaft stellen wir hier das Buch „Lehrheft zum Erlernen der Vollschrift für Blinde : nach dem System von Louis Braille“, von Autor Hans Klemm vor. Es ist erhältlich über den Shop des Deutschen Zentrums für barrierefreies Lesen (dzb-Lesen).
https://www.dzblesen.de/shop/search/details/pid/109139
Das Buch hat 140 Seiten und ist als Großdruck-Ausgabe erhältlich.
Als schnelle Merkhilfe für das Alphabet eignet sich eine Übersichtskarte, die ebenfalls im Shop des dzb-lesen separat erhältlich ist und für jeden Buchstaben in Schwarzschrift das entsprechende Braille-Zeichen darstellt.
https://www.dzblesen.de/shop/V009349-BlindenschriftAlphabet
Eine ausführliche Anleitung über die vollständigen theoretischen Grundlagen bietet das Regelwerk des Brailleschrifkomitees der deutschsprachigen Länder. Es steht zum kostenlosen Download als PDF-Datei und als Word-Datei zur Verfügung.
http://www.bskdl.org/download/textschrift/bs-2021-07-17-UBP.pdf
http://www.bskdl.org/download/textschrift/bs-2021-07-17.docx
Das Bildschirmfoto unten zeigt einen Auszug aus der PDF-Datei, die mit Screenreader lesbar ist. Die Punkte können dabei nicht angesagt werden.
Taktiles Lesen lernen
Haben Sie die Anordnung der Punkte für die einzelnen Buchstaben einigermaßen im Kopf, dann sollten Sie mit dem ersten taktilen Lesen beginnen. Sie können dies mit „echten“ Büchern tun oder auf einer Braille-Zeile.
Braille-Bücher
Ansprechpartner für Punktschriftbücher sind die Bibliotheken für Blinde und Sehbehinderte. Sie erhalten dort auch kompetente Hilfe und Beratung bei der Auswahl geeigneter Bücher für den Einstieg.
– Deutsche Blinden-Bibliothek Marburg (blista)
– Deutsches Zentrum für barrierefreies Lesen, früher Deutsche Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig (DZB)
– Westdeutsche Bibliothek der Hörmedien für blinde, seh- und lesebehinderte Menschen e.V. (WBH)
Bis zum Jahresende 2024 bietet auch die
– Norddeutsche Hörbücherei e.V. (NBH)
noch Punktschriftbücher an.
Für blinde und sehbehinderte Menschen ist die Ausleihe (einschließlich Versand durch DHL) kostenlos.
Das Lesen von Braille-Büchern hat den Vorteil, dass man einzelne Buchstaben oder Wörter oftmals aus dem Kontext erschließen kann, auch wenn man beim Tasten einmal nicht erkennt, um was für einen Buchstaben es sich handelt.
Braillezeile
Eine weitere Möglichkeit ist die Nutzung einer Braillezeile am Computer, Notebook oder Tablet. Dazu muss ein Screenreader und der entsprechende Treiber für die Braillezeile auf dem Computer installiert sein. Der Screenreader steuert dann die Bewegung der Stifte auf der Braillezeile.
Grundsätzlich übernehmen die Krankenkassen die (recht hohen) Kosten für eine Braillezeile. Wer noch einen Sehrest hat, muss aber wahrscheinlich mit einer Ablehnung rechnen.
Eine gute Wahl sind die Focus Braillezeilen. Es gibt sie in verschiedenen Längen: mit 80, 40 oder 14 Modulen (Buchstaben).
Der Text oder genauer die Zeile auf dem Bildschirm, in der sich gerade der Cursor befindet, wird vom Screenreader vorgelesen und gleichzeitig auf der Braillezeile dargestellt. Zusätzlich verfügt die Braillezeile über einen Lernmodus.
Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband bietet das Lernprogramm „Punktum“ für Braille- Vollschrift an. Der Kurs steht als Download bereit auf der Seite:
Sie laden hier die Software herunter, entpacken sie und können dann die .exe
– Datei starten. Eine Installation ist nicht erforderlich. Zur Verwendung der Software sind ein Windows-Computer, ein Screenreader und eine Braille-Zeile nötig.
Fazit
Auch wenn inzwischen in vielen Bereichen das Lesen mit Sprachausgabe oder Screenreader die Brailleschrift ein wenig abgelöst haben, ist doch das Lernen und Lesen von Brailleschrift eine unbedingte Empfehlung. So kann man z.B. Braille-Bücher lesen und dabei Musik hören, eben mal schnell den Aufdruck von Medikamenten-Packungen lesen, ohne technisches Gerät bemühen zu müssen, oder auf dem Balkon in der Sonne sitzen und lesen, was früher nie möglich war, weil die Sonne zu stark auf weissem Papier reflektiert und mit Sonnenbrille keine Buchstaben mehr zu erkennen sind.
Weiterführende Informationen:
DBSV, Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. :
https://www.dbsv.org/brailleschrift-blindenschrift.html
Spirnger-Verlag, Studie:
https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-37928-5_2#Sec5
BSKDL – Brailleschriftkomitee der deutschsprachigen Länder: http://www.bskdl.org/index.html
Auf dieser Seite stehen die aktuellen Regelwerke zum Download zur Verfügung:
http://www.bskdl.org/downloads.html
blista Bibliothek für Punktschriftbücher: Katalog
blista, Beratung: